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Old 12.12.2007, 05:35 PM   #2
█████████
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The Velvet Underground
»Sister Ray« (Verve, 1968)


Ranaldo: Lou Reed lebt in New York ganz in meiner Nähe, wir sind sozusagen Nachbarn. Es passiert nicht selten, dass meine Frau und ich im Kino plötzlich neben ihm und Laurie Anderson sitzen. Lou ist im Grunde auch das, was man als ›radical adult‹ bezeichnen muss. Seit den Tagen mit den Velvets ist er für uns eine große Inspiration. Und genau wie wir hat er auf seiner diesjährigen Tour ein ganzes Album von sich aufgeführt. Er spielte »Berlin«, wir »Daydream Nation«.

Dieser Song, »Sister Ray«, ist 17 Minuten lang und besteht fast nur aus Verzerrungen und Improvisation. Beeindruckt dich das?
Natürlich. Vor allem beeindruckt mich der Mut, den Velvet Underground aufbringen mussten, um so ein sperriges Stück, das zudem noch so radikal klingt, als Teil eines Albums zu veröffentlichen. Und das bei einem Majorlabel! Das zeigt doch, dass die Musikindustrie damals noch ganz anders funktionierte, man ließ Künstler noch ihre Arbeit machen. Wenn man heute als Band so etwas auf einem Majorlabel veröffentlichen wollte, würde man gegen Wände rennen. Ohne Aussicht auf Erfolg. Nur Bob Dylan könnte sich so etwas heute vielleicht noch leisten – er ist der einzige Künstler auf der Welt, den wohl kein Label jemals ziehen lassen würde.

Waren The Velvet Underground auch ein Vorbild, weil sie cool waren?
Natürlich, ihre Coolness hat Leute wie uns, die aus der Provinz nach New York gekommen waren, schwer beeindruckt. The Velvet Underground waren der Inbegriff des New Yorker Art-Rock, statt über Blümchen und Wiesen sangen sie über Heroin! Und dann erst diese Verbindung mit Andy Warhol. Heute gibt es Filme über Edie Sedgwick, und Bands drehen ihre Videos immer noch in silbernen Räumen und tun so, als sei es die Factory!


Prince
»Bob George« (Warner, 1994)


Ranaldo: Sobald man diesen Drumbeat hört, weiß man, dass es Prince ist. Toll! Prince ist jemand, der in den Weiten der kommerziellen Musikindustrie ja ein wenig seine Orientierung verloren hat. Aber es ist natürlich nach wie vor bewundernswert, wie er als Produzent, Songwriter, Arrangeur, Performer und Stilikone einen ganz eigenen Kosmos erschaffen hat. Ohne ihn gäbe es heute zum Beispiel keine OutKast.

Was genau meinst du mit »Orientierung verloren«?
Ich meine diese Ratlosigkeit, die offenbar bei den meisten Künstlern automatisch einsetzt, wenn sie einmal so einen unfassbaren Erfolg hatten wie Prince mit »Purple Rain«. Was macht man, wenn man einmal Millionen von Platten verkauft hat? Nach so einem Peak ist es fast unmöglich, nicht abzustürzen. Wir sind eigentlich ganz froh darüber, dass uns so etwas mit Sonic Youth erspart geblieben ist. Ein Riesenerfolg wäre wahrscheinlich unser Tod gewesen. Prince ist aber immer noch passioniert bei der Sache. Die Konzerte, die er derzeit spielt, sind grandios, und nach einem Gig zieht er immer noch in einen anderen Club weiter, wo er dann bis fünf Uhr morgens weiterspielt. Prince lebt wirklich für seine Musik – was wohl das Beste ist, was man über einen Musiker sagen kann.

Kannst du den Unterschied zwischen deinem und seinem Gitarrenspiel beschreiben?
Prince ist ein guter Improvisator. Das verbindet uns: Für ihn ist Improvisation genauso wichtig wie für Sonic Youth. Technisch ist Prince aber natürlich ein viel versierterer Spieler, als wir es sind. Aus seinem Spiel kann man verschiedene Referenzen heraushören, am deutlichsten Jimi Hendrix.

Prince und Jimi Hendrix verbindet auch, dass beide mit Miles Davis kooperieren wollten. Hendrix starb, bevor es dazu kommen konnte, und Miles Davis starb, bevor Prince mit ihm arbeiten konnte.
In beiden Fällen hätte ich das Ergebnis nur zu gerne gehört.


Lightnin' Hopkins
»Someday Baby« (Arpeggio Blues, Aufnahme von 1947)


Ranaldo: Ich liebe Lightnin' Hopkins! Jimi Hendrix sagte einmal, Lightnin' Hopkins sei eines seiner großen Vorbilder gewesen.

Er gehörte zu den ersten Gitarristen, die im Blues die E-Gitarre spielten ...
Ich höre sehr viel Musik aus dieser Zeit. Damals wurden musikalisch die Weichen für all das gestellt, was danach kam. Besonders natürlich für Rock'n'Roll.

Inwiefern ist Blues heute noch wichtig?
Ganz einfach: Die Akkordfolgen, die auch wir bei Sonic Youth heute spielen, sind noch immer die Akkordfolgen, die von den alten Bluesern geprägt wurden. Im Grunde ist unsere Musik Blues. Wir maskieren dies nur dadurch, dass wir mit offener Stimmung spielen. Was in diesem Zusammenhang wichtig ist: Die Bluesmusiker waren alle Autodidakten – ein wichtiger, ermutigender Einfluss für uns! Der Blues kam nicht aus Musikhochschulen oder Universitäten, es war eine Musik von Menschen, die nach einem eigenen Weg suchten, ihre Gefühle künstlerisch zu reflektieren.

Madonna
»Into The Groove« (Sire, 1985)


Ranaldo: Das ist Pop, den damals sogar wir gut fanden! Madonna hat es tatsächlich geschafft, einigermaßen anspruchsvolle Musik zu machen und damit trotzdem so unglaublich berühmt zu werden. Meistens schließt das eine ja das andere aus. Bei Nirvana war es ähnlich: Ihre Musik war sehr gut, und sie hatten zugleich Erfolg. Das waren regelrechte kulturelle Phänomene: Die Leute hörten nicht einfach nur die Musik, sie wollten sich auch so anziehen und aussehen wie Madonna oder Nirvana. Sie wollten so sein wie sie! Faszinierend.

Sonic Youth brachten im Jahre 1988 als Ciccone Youth ein Album mit Madonna-Coverversionen heraus ...
Ja, damals dachten natürlich viele, dieses Album sei sarkastisch gemeint, wir würden uns über Madonna lustig machen. Wollten wir aber gar nicht. Wir fanden ihre Musik wirklich gut! Dieses sehr Poppige, sehr Songorientierte. Prince war ein ähnlicher Fall. Das war Musik, bei der wir ganz affirmativ sagen konnten: Alle finden das toll, aber wir finden es auch toll! So etwas passiert uns nicht oft. Madonna war wie wir jemand, der nach New York gekommen war, um es zu etwas zu bringen. Ursprünglich stammt sie ja wie wir alle aus der Provinz, in ihrem Falle aus Michigan. Kurz bevor sie ihren Durchbruch hatte, haben wir sie in Manhattan öfters in den Clubs gesehen, 1981 oder 1982 war das. Deswegen fanden wir ihren kometenhaften Aufstieg natürlich auch interessant. Wir haben eine ganze Tour lang darauf bestanden, dass Madonnas »Live To Tell« im Anschluss an die Konzerte über die Anlage gespielt wird! Das hätten wir gar nicht ausgehalten, wenn wir sie nicht wirklich bewundert hätten.



»Daydream Nation« (Deluxe Edition) von Sonic Youth ist bereits erschienen (Geffen / Universal)

http://www.spex.de/t7/307/artikel.html
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